Vereinsgeschichte
von Horst Reinhold
Nachdem im Januar 1993 -nach 45 jähriger Unterbrechung- in Mühlhausen ein neuer Marineverein gegründet wurde, übrigens der 500. in Deutschland, gehen nun die ehemaligen Seefahrer der Frage nach, wie alt der maritime Gedanke in der Thomas- Müntzer Stadt ist. Aus alten Dokumenten ist ersichtlich, dass am 18. August 1891 genau 21 interessierte Bürger bei der Polizeibehörde um Genehmigung zur Gründung eines Marinevereins nachsuchten. Gleichzeitig reichten sie einen ersten Entwurf einer Satzung ein. Am Kaisertag 1892 wollte man den Marineverein gründen. Doch am 2. September 1892 war es dann erst soweit. Die Mühlhäuser Mariner hatten ihren ersten Vereinsraum in „Eisenhardts Bierlokal“ in der Schaffentorstraße. Hier traf man sich jeden ersten Sonntag im Monat. Der Vorsitzende war damals Georg Hay, Schriftführer Herr Hetemann und Kassierer Herr Beck. Nach der ersten Satzung war es Bedingung, dass jedes Mitglied auch tatsächlich zur See gefahren war und seinen Wohnsitz in der Stadt hatte. Der Mitgliedsbeitrag lag damals besonders hoch, über 20 Mark. Ein Kuriosum enthielt die benannte Satzung übrigens auch. So nahmen alle Mitglieder beim Tod eines Vereins- Kameraden an der Beerdigung teil.
Es war damals üblich, dass die Mitgliederliste regelmäßig der Polizeibehörde vorgelegt wurde. Schon bald zogen die Marinekameraden in ein neues Domizil um. Sie trafen sich für viele Jahre in Weymars Felsenkeller. Hier feierte man regelmäßig den Geburtstag des Kaisers Wilhelm ll. am 30. Januar, das Sedansfest sowie das Stiftungsfest. Am 29. August 1898 konnte der Vorstand vermelden, dass der Marineverein nunmehr 40 Mitglieder hatte. Seit Beginn trugen die Mariner schon den Namen „Vizeadmiral von Reiche“, den sie auch jetzt wieder übernehmen möchten. Am 19. Januar 1899 wählte man einen neuen Vorstand. Der Vorsitzende hieß Otto Köthe. lm Jahre 1900 wurde die Satzung geändert. Nun durften auch die Familienangehörigen beim Marineverein mitwirken. Unter Anteilnahme der Bevölkerung wurde am 5. Juni 1904 die Vereinsfahne am Kriegerdenkmal an der Burg geweiht. Die Marinekameraden feierten oft und gern. Das besondere bei diesen Festen waren die Einladungskarten. Auf der Vorderseite stand das Programm der Veranstaltung und auf der Rückseite gab es Informationen von Schiffspositionen oder Verlustmeldungen von versunkenen Schiffen. Ein besonderer Tag für die Mühlhäuser Kameradschaft war der 17. Mai 1917, wenige Wochen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges. Der Marineverein war Gastgeber der Gauversammlung des Marineverbandes Thüringen. Noch heute wird die Einladungskarte an den Oberbürgermeister Trenkmann im Stadtarchiv aufbewahrt. Eine letzte Mitteilung des Mühlhäuser Marineverbandes stammt vorn 20. Januar 1927, in welcher der Polizeibehörde unterbreitet wird, dass am gleichen Tag in Dietmanns Bierlokal an der Güldenen Ecke eine Vereinsversammlung stattfinden soll.
Nicht belegte Informationen sagen aus, dass sich nach 1945 ehemalige Vereinsmitglieder in der Güldenen Ecke getroffen haben und vor Angst der damaligen Besatzungsmächte alles vernichtet haben sollen, was auf Ihre Person Rückschlüsse ziehen ließe.
1956 haben sich die Vereine in der damaligen BRD wieder mit neuen Mitgliedern aus der Kriegsmarine gegründet.
Durch den Bundesschatzmeister des Deutschen Marinebundes e.V. Heinz Schmidt, wohnhaft in Wanfried, wurde Ende 1992 durch eine Zeitungsannonce im ehemaligen Haus der Kulturschaffenden ein Treffen mit ehemaligen Seeleuten organisiert. Zu diesem Treffen kamen ca. 25 Seeleute, die bei den verschiedensten Reedereien bzw. militärischen Organisationen gefahren waren. Im Ergebnis dieser Zusammenkunft beschlossen wir, dass bis Januar 1993 die Vorbereitung der Vereinsgründung durch einige junge Seefahrer organisiert werden sollte, und so lief es auch ab.
Gründungsdatum war der 16. Januar 1993, Wahl des Vorstandes am 16. Februar 1993. Damit traten wir offiziell dem Deutschen Marinebund e.V. als 500. Marinekameradschaft mit 20 Mitgliedern bei.
Der Vorstand wurde von den Mitgliedern einstimmig gewählt: Vorsitzender Horst Reinhold, Schriftführer Gerald Mees.
Ab diesem Zeitpunkt gab es viel zu organisieren. Unterstützt wurden wir von den MK’s aus Eschwege und Witzenhausen.
Ab 1994 hatten wir mit Weinheim an der Bergstraße eine Patenschaft, die aber nur 2 Jahre hielt, weil diese sich dann auflösten und jeder Kontakt damit abbrach.
Glücklicherweise wurde zu diesem Zeitpunkt zwischen der Stadt und einem Minentaucherboot „M 1052“ eine Patenschaft abgeschlossen, in der wir bis zur Ausserdienststellung im Juni 2007 mit eingebunden waren.
Unser 10 jähriges Bestehen 2003 feierten wir im Barbaraheim der Görmar Kaserne. Zu diesem Zeitpunkt wurden 10 der Gründungsmitglieder ausgezeichnet. In den Folgejahren gab es eine Überalterung der Mitglieder, die zu einem Mitgliederschwund führte. Ein Zuwachs trat erst mit Gewinnung von jungen Seeleuten ein. Ungeachtet der Rückschläge, die zwischendurch eintraten, die gute Verbindung zu den Kameradschaften im Landesverband war und ist für uns eine Stütze. So werden jährliche Teilnahmen an Segeltörns in Anspruch genommen sowie Bord- und Sommerfeste besucht.
2008 am 19. April fast auf den Tag genau wurde im Sporthotel Mühlhausen unser 15 jähriges Jubiläum gefeiert. Mit der Auszeichnung einer Fahnenschleife (ohne Fahne), inklusive einer Urkunde durch den Landesverband und einer Reihe von Ehrengeschenken durch die einzelnen Marinekameradschaften wurden wir geehrt.
Am Folgetag wurde in Mühlhausen der 16. Landesverbandstag durchgeführt, auf dem der Oberbürgermeister als Schirmherr eine Ansprache hielt. Ebenfalls wurde von Frau Kaiser vom Stadtarchiv ein Vortrag zur Geschichte der Hanse und Mühlhausen gehalten.
Im gleichen Jahr, auf dem Abgeordnetentag in Bielefeld, erhielt der Vorsitzende Horst Reinhold die goldene Ehrennadel des Deutschen Marinebundes e.V. als Anerkennung seiner Verdienste im Marineverein sowie im Landesverband Thüringen.
In den Jahren bis 2013 senkten wir den Altersdurschnitt um ca.11 %, das zahlte sich von den Aktivitäten her im Vereinsleben auch aus. Die Vielfalt der Aktionen, wie Fischerfeste, Schlachtfeste, Kegelabende, Hainichwanderung, Harzreise oder Besuch der Hansesail in Rostock waren ein Gewinn für unseren Verein.
Leider ist es unserem Verein bisher nicht gelungen, einen Traditionsraum zu finden, der für alle Beteiligten ein Aushängeschild sein könnte. Wir begingen 2013 unser 20. Jahr der Wiedergründung und hoffen, dass es uns gelingt, bis zum Jahr 2018, also zum 25. Jubiläum mit einem festen Vereinslokal mit Traditionszimmer und einer Vereinsfahne ein noch festerer Bestandteil der Stadt zu werden.
Wir wollen dazu beitragen die Tradition des Marinevereins von 1891/ 1993 am Leben zu erhalten und für viele Bürger ein Vorbild zu sein.
Nachtrag von Martin Sölter: 2014 gelang es uns dank der Unterstützung der Stadtverwaltung endlich, einen geeigneten Raum zu finden. Auch eine Vereinsfahne wurde durch die finanzielle Unterstützung der Stadtverwaltung angeschafft.
Das Vereinsheim befindet sich in Mühlhausen in der Friedrich Hebbel Straße Nr. 17 (Baracke hinter dem Hotel Stadt Mühlhausen > ehemals Sporthotel). Nach erfolgter Renovierung durch Mitglieder des Marinevereins konnte bereits die Jahreshauptversammlung im Januar 2015 hier stattfinden.
Update Juni 2024: Inzwischen ist die oben erwähnte Baracke in einem beklagenswerten Zustand, so dass sie für unsere Vereinsarbeit nicht mehr zu nutzen ist. Durch Unterstützung des Landrates Harald Zander (SPD) konnten wir nun zwei zusammenhängende Räume im Barbaraheim am Lindenhof 1 (ehemalige Görmarkaserne) in Mühlhausen beziehen. Foto folgt